Ganczarski, Eisenecker und von Schweinichen in Nikolai (Oberschlesien)

 

Die polnische Internetzeitschrift „Gazeta Mikolowska“ (Nikolaier Zeitung) beschäftigte sich vor einiger Zeit ausführlich mit der Nikolaier Familie Eisenecker und den mit ihr verwandten Familien Ganczarski und von Schweinichen, die gemeinsam das kommerzielle und gesellschaftliche Leben der Stadt Nikolai im 19. Jahrhundert entscheidend prägten. Die polnische Originalversion ist über http://www.gazetamikolowska.eu/index.php?option=com_content&task=view&id=545&Itemid=80 abrufbar.

 

Der von Ryszard Szendzielarz verfasste Text sei hier (mit ausdrücklicher Genehmigung des Autors) in der Übersetzung von Arthur P. Vorreiter wiedergegeben:

 

„Das Geschlecht der Eisenecker

Sie betrieben Handel, besaßen Kohlebergwerke und handelten mit Immobilien

 

Das Kaufmannsgeschlecht der Eisenecker leistete im 19 Jahrhundert einen großen Beitrag zur Entwicklung von Handwerk und Handel in der Stadt Mikolow [Nikolai].

 

Bergwerke und eine Kapelle

 

Die älteste Information über diese Familie geht auf das Jahr 1812 zurück. Damals waren der Metzger Albert Eisenecker und sein Bruder Andreas Eigentümer des am Marktplatz befindlichen Mietshauses Nr. 18. Im Jahr 1827 war Eigentümer des Mietshauses Marktplatz 19 (gegenwärtig das örtliche Kulturhaus „Dom Kultury“) ein Pawel [Paul] Eisenecker.

 

In der Folge kaufte der Kaufmann und Kohlegrubenbesitzer Ignacy [Ignatz] Eisenecker im Jahr 1833 ein Haus an der ul. Gliwickiej [Gleiwitzer Straße]7 (gegenwärtig ul. Jana Pawla II) und neun Jahre später erwarb er das Mietshaus Nr. 3 am Marktplatz (das der Familie bis 1887 gehörte). Ignacy hatte mehrere Söhne: Tomas, Karol, Hermann und August sowie die Tochter Emilie.

 

In der ersten Hälfte des 19 Jahrhunderts war er mit der Ausbeutung und der Förderung von Steinkohle in den folgenden Bergwerken beschäftigt: „Sankt Adalbert“, „Barbara“, “Mokre“, und „Napoleon“ in Mokre. Außerdem betrieb er im Jahr 1842 in Laziskach Srednich [Mittel Lazisk] zusammen mit dem Fürsten von Pless das Kohlebergwerk „Sankt Anna“ und war zudem Miteigentümer der dortigen Bergwerke „Herzogin Auguste“ und „Alte Glückauf“ (Waleska). Im Jahr 1846 erhielt er zusammen mit dem Fürsten Maximilian Jan Ludwik Sulkowski die Konzession für das Bergwerk „Chelm“ bei Tychy. Sechs Jahre später, nach seinem Tod, veräußerte seine Witwe dieses Bergwerk an den Grafen Hermann von Bohlen.

 

Diesem bedeutenden Geschlecht gehörte ebenfalls das Dorf „Bojszowy Gorne“, der dortige Pfarrer war ebenfalls ein Eisenecker. In den 50er Jahren des 19 Jahrhunderts wurden diese Güter in die Hände des Herzogs von Pless überführt.

 

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erbaute die Familie Eisenecker eine bis heute erhaltene Kapelle, die sich auf dem Friedhof in der Nähe der Kirche zum Hl. Wojciech befindet. In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts erwarb Pfarrer Alexander Skowronski jene Kapelle für die Pfarrei, in der er nach seinem Tod beigesetzt wurde, ebenso wie auch Pfarrer Karol Wilk.

 

Einflussreiche Verbindungen und Verwandtschaften

 

Wenn wir über die Familie Eisenecker schreiben, müssen wir ebenso auf die mit ihnen verbundenen Kaufmannsfamilien Glatzel und Ganczarski eingehen.

 

Ludwik Glatzel schrieb eine Chronik der Familie Glatzel. Jerzy Fryderyk [Georg Friedrich] Glatzel bewirtschaftete folgende Ortschaften: Lissek, Neudorf, Drzymierz, Zytten und Lukow. Dort hatte er das Braurecht für Bier, das Brennrecht für Cognac, das Schank-, Schlacht- und Backrecht. Er war der Schwager [richtig wäre: Schwiegervater] von Joseph Ganczarski, dessen zweite Frau Franziska Glatzel wurde. Aus dieser Ehe gingen neun Kinder hervor. Das zweite Kind, Tochter Helena (geb. 23. Mai 1825), ehelichte Karol Eisenecker (Sohn des Ignazy), Witwer und bergmännischer Schichtmeister. Ihre Hochzeit fand 1850 auf dem Gut Lissek, unweit von Rybnik statt. Helena starb 1898 in Mikolow [Nikolai], höchstwahrscheinlich wurde sie in der Kapelle auf dem Friedhof bei der Hl. Wojciech Kirche beigesetzt.

 

Die Sechste aus der Kinderreihe Josef Ganczarskis und Franziska Glatzels, Paulina, ehelichte den 32jährigen Tomas Eisenecker, Karols Bruder. Aus dieser Ehe sind sechs Kinder hervorgegangen: Jadwiga, die Zwillinge Robert und Franz, Margareta, Elizabeta und Paulina. Joseph Ganczarski, Besitzer der Lisseker Freigüter, starb 1864. Nach seinem frühen Tod erbten seine Geschwister das Vermögen: Helene Eisenecker, Marie Vogt, Pauline Eisenecker sowie Karol Ganczarski.

 

Karol

 

Kehren wir zurück zu Karol Eisenecker, der 1848 die 24jährige Frani Abrachamczyk aus Nikolai geheiratet hatte. Ein Jahr später kam deren Sohn Karol Anton zur Welt. Jedoch verstarb Frani nach der Geburt. Karol Anton wurde Doktor des Rechts und arbeitete als Prokurator. Er starb 1884 in Braunfeld, Deutschland.

 

Karol Eisenecker (Senior) beutete das Kohlevorkommen des Bergwerks „Mokre“ im Jahre 1849 aus. Mit seiner zweiten Ehefrau Helena bewohnte er das Haus am Marktplatz 3. Aus dieser Ehe gingen zehn Kinder hervor.

 

Oskar

 

Im Jahr 1856 heiratete der Kaufmann August Eisenecker die Emilie, eine geborene Schweinichen aus Pszczyna [Pless]. Sie hatten zusammen 5 Kinder: Richard, Walerie, Marie, Oskar und Pelagia.

 

Im Jahr 1907 erwarb Oskar -ein Kaufmann und Drogist- von dem Seifenhersteller Hermann Jacobowitz ein Haus am Marktplatz, in dem er wahrscheinlich Seife herstellte. Im Jahr 1919 verkaufte er das Haus an den Kaufmann Karol Lenhart.

 

Er war mit Elizabeth, geb. Klement verheiratet. Sie hatten einen Sohn, Jan, der im Jahre 1941 im Alter von 25 Jahren während seines Dienstes bei der Wehrmacht verstarb. Oskar starb im Mai 1937 im Alter von 72 Jahren. Bestattet wurde er an der rechten Seite der Kapelle auf dem Friedhof der St. Wojciech-Kirche.“

 

Text: Ryszard Szendzielarz, Übersetzung: Arthur P. Vorreiter

 

Es bleibt noch zu erwähnen, dass schon Ignatz Eisenecker mit Ludmilla von Schweinichen verheiratet war, die vermutlich aus dem gleichen Familienzweig der uralten schlesischen Adelsfamilie stammte wie Emilie von Schweinichen, die Ehefrau seines Sohnes August. Über die Tochter Emilie Eisenecker bestand eine familiäre Bindung zur Familie Foreyter (bzw. Vorreiter), einer jahrhundertealten Freibauerndynastie aus dem zu der Gemeinde Kamienietz bei Gleiwitz gehörenden Ort Lubek. Ihr entstammte u.a. der in Fachkreisen seinerzeit gut bekannte Ingenieur Emil Ansgar Vorreiter, der sich in der ersten Hälfte des 20 Jahrhunderts als Patenthalter bzw. Pionier im Automobilbau und in der frühen Luftfahrt hervorgetan hat.

 

Zum besseren Verständnis habe ich der Übersetzung einige Anmerkungen in eckigen Klammern hinzugefügt.

 

Jürgen Schadnik (September 2012)